Was bedeutet „Net Zero“ und was steht dahinter?
Hamburg Airport wird ab 2035 komplett CO2-frei sein, so das erklärte Ziel. Doch wie wird dieses Ziel erreicht? Was ist der Unterschied zwischen CO2-neutral und CO2-frei? Und warum baut der Flughafen sogar einen eigenen Windpark? Das erklärt Julian Klaaßen, Projektleiter von „Net Zero“, im Interview.
Was genau ist „Net Zero“?
Bei „Net Zero“ geht es darum, den Bodenbetrieb am Hamburg Airport komplett ohne fossile Emissionen zu gestalten. Das heißt, dass wir zu 100 Prozent grünen Wasserstoff, grünen Strom und Bio-Kraftstoffe verwenden.
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Luftfahrt mit Fokus auf Nachhaltigkeit und klimaverträgliches Fliegen.
Was ist der Unterschied zwischen CO2-neutral und CO2-frei?
CO2-Neutralität beinhaltet noch Restemissionen, die mit hochwertigen Ausgleichszertifikaten kompensiert werden. CO2-frei bedeutet, dass Hamburg Airport gar keine fossilen Emissionen mehr ausstößt, wir also eine Netto-Null haben.
Warum will Hamburg Airport das überhaupt erreichen?
Wir als öffentliches Unternehmen und innerstädtischer Flughafen tragen eine besondere Verantwortung. Wir wollen zeigen, dass ein fossilfreier, sauberer Betrieb funktionieren kann.
Um CO2-frei zu werden, bearbeitet Hamburg Airport vier große Bereiche, Stichwort vier Säulen. Was genau steht dahinter?
Die erste Säule ist die Veränderung der Wärmeversorgung, unser größter Emittent. Hier geht es darum, alte Anlagen auszutauschen und künftig andere Wärmeversorgungsmöglichkeiten wie Fernwärme oder Power-to-Heat zu nutzen. Wir prüfen gerade verschiedene Systeme.
Die zweite Säule betrifft unseren Fuhrpark, den wir auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen. Diese Säule ist die herausforderndste, weil es teilweise noch keine entsprechenden Fahrzeuge auf dem Markt gibt. Wasserwagen, Enteiser und die großen Feuerwehrwagen gibt es bisher nur mit „Verbrenner-Antrieben“. Deshalb statten wir die alten Fahrzeuge entweder mit neuen Motoren aus oder nutzen Biokraftstoffe. Zudem sind wir mit einigen Herstellern gemeinsam in der Produktforschung aktiv.
Die dritte Säule, Stromversorgung, gehen wir mit dem geplanten flughafeneigenen Windpark und Photovoltaik-Anlagen an. Der Windpark soll bis zu 100 Gigawattstunden pro Jahr produzieren – mehr als der gesamte Flughafen verbraucht.
Die vierte Säule dreht sich um weitere Energieeinsparungen, denn am nachhaltigsten ist die Energie, die man nicht benötigt.
Was ist die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung ist, alles in einer recht kurzen Zeitspanne im wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen. Denn die Netto Null ist bis 2035 zu schaffen, aber der Teufel steckt oft im Detail.
Was steht konkret in 2024 an?
Dieses Jahr wollen wir die Gepäckschlepper auf Wasserstoffantrieb umstellen. Dazu werden zwei Tests laufen. Bei der Wärmeversorgung prüfen wir verschiedene Systeme und werden dann eine konkrete Zeitschiene erarbeiten, was wir wann und wie umstellen. Und in Sachen Stromversorgung geht es an die konkrete Planung der Infrastruktur.
Die Netto-Null bezieht sich auf die Emissionen im Bodenbetrieb. Was ist mit den Flugzeugen?
Net Zero betrifft die Emissionen, die wir als Flughafen unmittelbar selbst verursachen, die sogenannten Scope 1 und 2 Emissionen. Wir bemühen uns aber dennoch, auch die Emissionen der Flugzeuge zu reduzieren. Der Schlüssel dazu wird eine Umstellung der Energieträger der Flugzeuge sein. Statt Kerosin liegt die Zukunft bei nachhaltigeren Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, kurz: SAF) für Langstreckenflugzeuge. Auf der Kurz- und Mittelstrecke wird es zukünftig möglich sein, mit Wasserstoff ohne CO2-Emissionen zu fliegen.
Wie tragt ihr zu dieser Entwicklung bei?
Für die Energiewende in der Luftfahrt müssen alle an einem Strang ziehen. Das sind zum einen die Hersteller, die die Flugzeuge entwickeln. Erste Modelle, die mit gasförmigem Wasserstoff auf Kurzstrecken eingesetzt werden können, werden schon in wenigen Jahren verfügbar sein. Für längere Distanzen und mehr Passagiere rechnen wir ungefähr ab 2035 mit ersten Modellen. Diese verwenden flüssigen Wasserstoff. Zum anderen müssen die Flughäfen die dafür nötige Infrastruktur bereit halten. Deswegen sind wir bereits heute in verschiedenen internationalen Projekten sehr aktiv, um die Standards zu entwickeln, mit denen die neuen Flugzeugmodelle versorgt und betankt werden können. Denn dafür gibt es heute noch keine verbindlichen Pläne. Damit also Flugzeuge mit Wasserstoff eine Zukunft haben, arbeiten wir schon heute an den Voraussetzungen dafür.